20 Jahre Christkindli-Märt Willisau
Autor(en): Bucher, Hannes
Objekttyp: Article
Zeitschrift: Heimatkunde Wiggertal
Band (Jahr): 74 (2017)
Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-718719
PDF erstellt am: 26.11.2022
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20 Jahre Christkindli -MärtWillisau

Hannes Bucher

Es war einmal...
ein Städtchen im Luzerner Hinterland.
Es ist da seit vielen Hundert Jahren.
Sein mittelalterliches Erscheinungsbild
ziert manch historische Grafik, es
prangt auf Gemälden, Stichen, Fotos,
das Städtchen Willisau. Es war schon
immer und ist es nach wie vor: eine
Augenweide mit seinem bezaubernden
mittelalterlichen Ambiente. Das Städtli,
so nennen es die Willisauer liebevoll,
besitzt seit dem 12. Jahrhundert das
Marktrecht. Das alles wissen auch clie
Frauen des Gartenlaubenchör/l Willisau
Ende der 1990er-Jahre. Aber es genügt
ihnen nicht, oder viel mehr, nicht mehr.
Sie sind überzeugt: Willisau könnte
mehr aus sich machen, gerade in der
Advents- und Weihnachtszeit: «Die halbe
Welt beneidet uns um das einmalige
Cachet des Städtiis - und wir machen
so wenig daraus!» So steht es in einem
Briefdokument vom September 1997.
Die initiativen Frauen lassen es nicht
bei der Beurteilung der unbefriedigenden
Situation bewenden. Sie werden
aktiv. Mit der Unterstützung des Stadtrates
wird die Arbeitsgruppe «Christkindli-
Märt» aus der Taufe gehoben.
Beatrice Grüter -
Frau der ersten Stunde
Treibende Kraft und Frau der ersten
Stunde ist die einheimische Gewerblerin
Beatrice Grüter. Sie wird die erste
Präsidentin der Arbeitsgruppe Christkindli-
Märt. Sekundiert wird sie von
Martha Rumi (Koordination), Pius Meyer
(Vertreter IWG), Werner Schacher,
(Vertreter Stadtrat) und Peter Büchli
(Sekretär). Die Arbeitsgruppe gelangt
Ende September 1997 an die Willisauer
Geschäftsleute und lädt diese zum
Mitmachen ein. «Am 7. und 8. Dezember
1997 möchten wir im Städtchen eine
himmlische Atmosphäre schaffen und
Ihnen Gelegenheit geben, Ihre
Weihnachtsprodukte an den Mann, die Frau
und - wer weiss - vielleicht sogar an
das Christkind zu bringen.» Die Arbeitsgruppe
will die Aussteller unterstützen,
die Werbung übernehmen und das
Städtli «in ein weihnächtliches Paradies»
verwandeln. Als Werbefachmann kann
der einheimische Grafiker Knox Troxler
gewonnen werden.
Weihnachtsflügel wachsen
Am 7. und 8. Dezember 1997 findet
der Christkindli-Mßrf zum ersten Mal
statt. Geschäftsleute, Vereine, Private,
unzählige Helfer engagieren sich.
Fanfaren tragen diese vorweihnächtliche
Botschaft von der Turmstube über das
Städtchen hinaus in die Region. Willisau
wird auf Anhieb zum bezaubernden
Weihnachtsstädtchen und bietet
ein einmaliges Adventserlebnis inmitten
der einzigartigen Kulisse. Liebevoll
geschmückte Marktstände in der
historischen Hauptgasse laden zum
Verweilen, zum Staunen, zum Kaufe erste Arbeitsgruppe Christkindli-Märt mit dem Plakat von Knox Troxler. In der Bildmitte
die eiste Präsidentin Beatrice Grüter (1997-2006), rechts neben ihr die zweite Präsidentin
Martha Rumi (2007-2014).
fen spezieller Weihnachtspräsente ein.
Festliche Musik erklingt auf den
verschiedenen Plätzen. Glanz- und Lichterketten,
die sich in den drei Stadtbrunnen
spiegeln, schwimmende Kerzen
dazu: Willisau ist im Weihnachtszauber.
Alles stimmt, prächtiges Wetter ist Petrus'
Zugabe zur erfolgreichen Premiere.
Es ist der Anfang eines wahr gewordenen
Weihnachtsmärchens. «Selbst die
grössten Optimisten haben wohl nicht
mit einer solchen (friedlichen) Invasion
gerechnet», resümiert die Arbeitsgruppe
in ihrem Rückblick. Jetzt wachsen den
Initianten unter der rührigen Präsidentin
Beatrice Grüter eigentliche
Weihnachtsflügel - organisatorische, kreative,
unternehmerische, die Motivation
für das Weiter macht Sprünge. Keine
Frage, der Anlass soll ein Jahr darauf
wiederum stattfinden, um einen Tag
verlängert sogar. Das Weihnachtsmärchen
soll weitergeschrieben werden.
Selbstkritisch wird die erste Durchführung
analysiert. Es wird nach
Optimierungsmöglichkeiten gesucht. So soll
als Erstes ein Anforderungsprofil für
die Teilnehmer ausgearbeitet werden,
«... damit allen Interessenten klar wird,
was wir uns unter einem -echten Christkindli-
Märt vorstellen», heisst es in den
Sitzungsakten.
Alle Jahre wieder -
ein Märchenkapitel
Jetzt wird der Radius erweitert; in der
ganzen Schweiz und im benachbarten
Ausland wird die Werbetrommel für
den zweiten Christkindli-Märt gerührt.
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In den Bahnstationen werden Werbeplakate
ausgehängt, zahlreiche Car-
Unternehmen werden angeschrieben.
Der Erfolg bleibt nicht aus. Innen Kürze
gehört der Christkindli-Märt Willisau
zu den vorweihnachtlichen Top-Events.
Dahinter steckt die Arbeitsgruppe, die
bestrebt ist, noch besser, einmaliger,
perfekter zu werden. Das Marktreglement
wird überarbeitet, angepasst,
neue Ideen werden ausgetüftelt und
umgesetzt. So muss etwa das
Warenangebot streng auf Weihnächtliches
ausgerichtet sein, und an den
Marktständen erklingt nur weihnächtliche
Musik. Zur festen Tradition wird, dass
die Rohrmatt-Musik, die Feldmusik
Willisau und die Stadtmusik Willisau im
Wechsel jeweils an einem Markttag das
musikalische Zepter übernehmen: Sie
blasen zum Marktbeginn die Fanfaren
auf dem Turm, sie geben Platzkonzerte
und gestalten weitere Auftritte.
So wie Advent und Weihnachten zum
Jahresablauf gehören, nimmt auch der
Christkindli-Markt innert Kürze
seinen festen Platz darin ein. Tausende
kommen Jahr für Jahr, lassen sich
adventlich einstimmen, suchen sich ein
weihnächtliches Präsent für ihre Familie,
Freunde, Bekannten. Die Chilegass
wird ins weihnächtliche Geschehen mit
einbezogen, eine Märchenstube lockt
die Kinder ins Kaländerhus und im
Kinderhort basteln die Kleinen
Weihnächtliches. Eine «schöne Bescherung»
gibt es für die Arbeitsgruppe: Der Stadt¬
rat bestellt neue Marktstände aus
einheimischem Holz, vom Enzi gezimmert.
Engel - goldig, gläsern, hölzern
Das Wachstum geht weiter, Jahr für Jahr.
Waren es anfänglich 50 Stände, sind es
bald einmal deren 100. Dies schlägt
auch zahlenmässig zu Buch: Der Markt
generiere einen Umsatz von rund einer
Million Franken im Städtchen und in der
näheren Region, errechnet ein Ökonom.
Das 10-Jahr-Jubiläum steht an. «Engel»
heisst das Motto, und weit über lO'OOO
Besucher lassen sich von der weihnächtlichen
Engel-Welt anlocken und bezaubern.
Silbrige und goldige, mächtige
und zierliche, gläserne und hölzerne Engel
noch und noch. Nicht nur der Markt,
auch das kulturelle Rahmenprogramm
wird kontinuierlich erweitert: So lädt
etwa am Jubiläumswochenende der
Willisauer Projektchor zum Adventskonzert
ein. Zusammen mit dem Orchester Camerata
Musica Luzern und dem Tenor-
Solisten Reto Hofstetter wird die Sankt-
Nikolaus-Kantate aufgeführt.
Unerschöpfliche Kreativität und
eine neue Präsidentin
Einen Stabwechsel gibt es in der
Arbeitsgruppe nach dem 10-Jahr-Jubiläum:
Martha Rumi wird neue Präsidentin.
Die Kreativität, die Energie der
Arbeitsgruppe tragen weitere Früchte.
Neues kommt dazu, die Besucherzahl
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steigt Jahr für Jahr, und sie reisen
teilweise von weit her an. «Besucher aus
ganz Europa» seien auszumachen, so ist
in einem Protokoll festgehalten.
Eine ganz spezielle Ehrung erfährt die
Arbeitsgruppe Christkindli-Markt im
Jahr 2010: Die RegioHER (die heutige
Region Luzern West) überreicht ihnen
den Tourismuspreis. «Die Wertschöpfung
für die Region ist sehr gross. Auch
das grossartige Rahmenprogramm mit
den vielen kulturellen Beiträgen
verdient besondere Beachtung», schreibt
die Jury. Ehre, wem Ehre gebührt, in
diesem Fall allen Verantwortlichen und
der grossen Helferschar des Christkindli-
Marktes.
Seit 2015 steht mit der Willisauer
Geschäftsfrau Sandra Affolter die dritte
Präsidentin der Arbeitsgruppe vor. Ein
neues Verkehrskonzept mit Shuttle-Bus
ab dem Zeughaus wird unter der neuen
Präsidentin ins Leben gerufen. Durch
den Kauf einer Weihnachtstasche für
fünf Franken entrichten die Besucher
einen Solidaritätsbeitrag an die Kosten.
Das Altbewährte, Gewohnte soll aber
bleiben, betont Sandra Affolter: Sie
kann anlässlich «ihres» ersten Marktes
mit Genugtuung feststellen: «Alles läuft
bestens.» Das soll es auch weiterhin,
denn der Christkindli-Afärt gehört nach
20 Jahren (fast) so fest zu Willisau wie
die Willisauer Ringli. Ebenso, wie diese
hart sind, sind die Arbeitsgruppe und
all die vielen helfenden Engel ringsum
ebenso hartnäckig und ausdauernd.
Sagenhafter Jubiläumsmarkt
2016 ist angesagt
«Märchenhaft - engelhaft - sagenhaft»:
So lautet das Motto der Arbeitsgruppe,
die mit viel Power und grossem
Einfallsreichtum das 20-Jahr-Jubiläum
des Christkindli-Marte 2016 vorbereitet.
«Märchenhaft, engelhaft», das ist längst
Tatsache. «Sagenhaft» soll der Jubiläumsmarkt
2016 zusätzlich noch werden.
Sandra Affolter verrät, wie: Die Gasse
zwischen Schafwiese und Kirchenplatz
soll neu in den Markt miteinbezogen
werden und wird während dieser Zeit
jeweils zur «Sagengasse» umbenannt. So
wird der Märt als kompletter Rundgang
begehbar sein, und das ganze historische
Städtli wird einbezogen. Neues
gibt es auch bezüglich Krippe: Diese
wird künftig vor der Kirche stehen. Der
Holzbildhauer Heinz Kirchhofer schafft
neue Krippenfiguren. Maria, Josef und
das Jesuskind sind bereits in Arbeit; der
Künstler wird während des Märts eine
weitere Krippenfigur «live» schnitzen.
Das Krippenprojekt ist im Übrigen ein
ganz konkretes Beispiel für das
ausgezeichnete Miteinander in Willisau rund
um den Christkindli-Märt: Die katholische
Kirchgemeinde beteiligt sich hälftig
an den Kosten. Dafür kommen die
Krippenfiguren nach dem Märt in die
Kirche.
Grossartiges ist auch für das kulturelle
Rahmenprogramm des 20-Jahr-Jubiläums
vorgesehen. Drei JubiläumskonAm
20. Christkindli-Märt kann erstmals das Städtchen vom Kirchturm aus besichtigt werden.
Esfinden Führungen statt.
zerte unter der Leitung von Christoph
Walter werden am Freitag, Samstag und
Sonntag, 2., 3-, 4. Dezember 2016, in
der Pfarrkirche stattfinden: ein
Gemeinschaftskonzert mit dem Christoph Walter
Orchestra und Nelly Patty, mit Canto
Willisau, dem Brass Ensemble der
Feldmusik Willisau und den Jodufroue
Willisau. Da dürfte dreimal eine randvolle
Kirche gegeben sein.
Wir wissen: Die nächste Weihnachtszeit
kommt bestimmt. Im Luzerner
Hinterland wird sie eingeläutet mit einem
märchenhaften, engelhaften und sagenhaften
Christkindli-Märt Willisau 2016.
Adresse des Autors:
Hannes Bucher
Löwenacher 1
6017 Ruswil
hannesbucher@sunrise.ch
Zum Autor:
Er war langjähriger Sekundarlehrer,
dann Schulleiter und arbeitete gleichzeitig
als frei schaffender Journalist («Neue
Luzerner Zeitung», «Zentralschweiz am
Sonntag», «Anzeiger vom Rottal»).
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